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Fassade – Anregung und Monotonie / Orientierung

Warum sind bestimmte Wohnumwelten langweilig, andere anregend? Wovon hängt es ab, ob etwas als monoton oder als reizvoll erlebt wird? Tierversuche sprechen dafür, dass reizarme – monotone – Umwelten sich nachteilig auf die Intelligenzentwicklung auswirken (Ratten lernen bestimmte Aufgaben langsamer, finden sich schlechter in Labyrinthen zurecht). Obwohl man diese Untersuchungsergebnisse sicherlich nicht direkt auf den Menschen übertragen kann, ist es doch leicht nachvollziehbar, dass z. B. bestimmte Farben und Beleuchtungen anregend wirken. Allgemein reizarm sind farblose oder einfarbige und nicht ausreichend beleuchtete Räume. Rot, orange und gelb sind Farben, die besonders anregend sind, während grün und blau eher beruhigend wirken. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass hellere Innenräume geräumiger wirken als gleich große dunklere Räume. Natürlich ist es aber für jedem Menschen graduell unterschiedlich (wahrscheinlich auch für jede Generation und sicherlich für jede Kultur), was er oder sie als interessant oder als langweilig empfindet.

Ob eine Wohnumwelt auf die Menschen stimulierend oder monoton wirkt, hängt sowohl von der Neuartigkeit der Umgebung als auch von ihrer Komplexität ab. Die Neuartigkeit hat damit zu tun, wie gut wir die Umgebung kennen und wie genau wir vorhersagen können, was sich darin abspielt. Wohnumwelten sind für uns nur neu, wenn wir gerade umgezogen sind, normalerweise sind sie uns hingegen vertraut. Bei Wohnumwelten ist also der Grad ihrer Komplexität wichtiger. Wie komplex eine Unwelt ist, hängt davon ab, wie viele unterschiedliche Elemente und Merkmale sie enthält. Eine zu einfache Wohnhausarchitektur und ein allzu schlichter Baustil (gleichgroße Fenster, ordentlich übereinandergestapelt, reihenweise!) wirken monoton und langweilig. Allgemein gilt, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene Komplexität gegenüber Einfachheit bevorzugen, doch auch hier sind die individuellen Unterschiede erheblich. Was mancher z. B. als zu komplex, nämlich schlichtweg als chaotisch empfindet, ist für die andere gerade der Grad an Komplexität, bei dem sie sich am wohlsten fühlt.

Allerdings muss auch darauf hingewiesen werden, dass es dem Bewohner, der Bewohnerin wenig nützt, wenn nur die Fassaden ihrer Wohnhäuser interessanter und reizvoller gestaltet werden.

Der Grieche Phaidros sagt zum Philosophen Sokrates: „Sag mir, der du so empfänglich bist für die Wirkung der Architektur, hast du nicht beobachtet, wenn du dich in der Stadt ergingst, dass unter den Bauwerken, die sie ausmachen, einige stumm sind; andere reden; und noch andere schließlich, und das sind die seltensten, singen sogar?“ Reizvolle Wohnumwelten, bei denen die Häuser ihren eigenen Charakter und ihre eigene „Stimme“ haben, sind aber nicht nur dafür wichtig, wie man sich in ihnen fühlt, sondern auch, wie man sich in ihnen orientieren kann. Wenn alle Häuser gleich aussehen und es keinerlei Orientierungsmöglichkeiten außer den Nummernschildern und der Reihenfolge gibt, ist es sowohl für Kinder als auch für ältere Menschen besonders schwer, sich zurecht zu finden.

> Wie schaut für euch eine reizvolle, interessante Fassade aus?

Literatur:
Antje Flade, Wohnen psychologisch betrachtet, 1987
Horst Schmidt-Brümmer, Alternative Architektur, 1983


(1) © Bryan Whitney (Kali Code River Community, Yogyakarta). In: Clifford Pearson: Indonesia, New York 1998
(2) © Reichmann (Arch: Josef Frank - Haus Scholl, Wien 1913/14). In: Maria Welzig: Josef Frank, Wien Köln Weimar 1998
(3)(Arch: Enric Miralles, Benedetta Tagliabue - House in La Cloya). In: Quaderns, Nr. 226, Barcelona 2000
(4) © Nelson Kon (Arch: Lina Bo Bardi - Bo Bardi Studio, Sao Paulo 1986). In: 2G, n. 23/24: Lina Bo Bardi, Barcelona 2002

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