1998/99

Raumkompetenz – Netzkompetenz. Öffentlicher Raum als sozialer Raum.

Ein Projekt mit den SchülerInnen der 4b, HIB Boerhaavegasse Wien.

PROJEKTVERLAUF
> Freizeitprotokolle
> Erkundungen und Beurteilungen der Freiraumqualitäten der Schulumgebung
> Erkundungen und Beurteilungen der Nutzbarkeit und der Kommunikaitonsmöglichkeiten des Internet
> Exkursion Einkaufsstraße (Fotodokumentation)
> Erstellung von Collagen und Fototafeln zur Einkaufsstraße
> Entwürfe vom „idealen Park“
> Präsentation der Ergebnisse (im Rahmen der Magazinpräsentation MA-null/2 in der Babenbergerpassage, Wien)

RESÜMEE
Grundsätzlich wurde sichtbar, dass einer der Hauptgründe für die Jugendlichen, sich im Öffentlichen Raum oder im Internet aufzuhalten, die Möglichkeit zur Kommunikation ist und das Wissen, dort andere Jugendliche treffen und neue Kontakte knüpfen zu können. Als für sie tatsächlich benutzbare Einrichtungen des Öffentlichen Raumes werden vor allem kommunikative Einrichtungen (Sitzmöglichkeiten, Überdachungen, Chatrooms), sportliche Einrichtungen und auch z. B. Getränke- und Essens„standln“ gewertet. Bei ihrer Einschätzung von „attraktiven Orten“ scheint die Entfernung zu ihrem Wohnort wenig bzw. keine Rolle zu spielen.
Beide als „attraktiv“ gewertete Orte („Mariahilferstraße“ und „Internet“) sind zwar idealisiert vorbesetzt, im Projekt wurden aber auch die Schattenseiten und Schwierigkeiten („Menschen am Rande der Mariahilferstraße“, „dass man es nicht kann, wenn man es nicht erklärt bekommt“, „teuer, lange Wartezeiten“) angesprochen.

PROJEKTBERICHT
Ziel des Projekts war es,
> die unterschiedlichen Vorgangsweisen und Bedürfnisse der Jugendlichen im realen und im virtuellen Öffentlichen Raum festzustellen und
> festzustellen, wie sehr die strukturellen Vorgaben in beiden Räumen das Verhalten und die Bedürfnisse der Jugendlichen beeinflussen.

In der Vorbereitungszeit wurden von den Jugendlichen FREIZEITPROTOKOLLE erstellt, die sowohl einen Überblick über ihr Freizeitverhalten während einer gesamten Woche gaben, als auch in einer darauffolgenden Präzisierung an einen bestimmten Wochentag. Als häufigster Aufenthaltsort in ihrer Freizeit, wurde – neben Sportanlagen – die (Innere) Mariahilferstraße genannt.

An den zwei Projekttagen Anfang November wurden die Jugendlichen in zwei Gruppen geteilt, von denen die eine zuerst das Internet als virtuellen Öffentlichen Raum erforschte und danach „die Straße“ (Schulumgebung und Mariahilferstraße) und die andere Gruppe sich zunächst im realen Öffentlichen Raum und dann im Internet aufhielt.
Gearbeitet wurde in beiden Gruppen im ersten Teil mit Fragebögen und Beschreibungen und im zweiten Teil mit Fotos bzw. visuellen Eindrücken (Logos und Symbolen) fürs Internet (eine eigene Homepage).

ÖFFENTLICHER RAUM – 1. TEIL: Schulumgebung
Auszufüllen waren Fragebögen zu sieben Orten (Wohnpark Rennweg, Paulusplatz, Rabenhof, Fiakerplatz, Kardinal Nagl-Platz, Wohnhausanlage Hainburgerstraße/Apostelgasse, Arenbergpark), die die Jugendlichen an einem Vormittag abgingen. Gefragt war z. B. nach für sie „brauchbare“ Einrichtungen in diesen Freiräumen, nach den Unterschieden in ihrer Benutzbarkeit für Mädchen und Burschen, aber auch nach ihrem sinnlich Eindruck vom jeweiligen Ort und auch nach einer Kurzgeschichte, die an diesem Ort passieren könnte. Ein Fragebogen sollte die Beobachtungen auf dem Weg zwischen den einzelnen Orten festhalten.
Ergebnisse:
> Die vorgegebenen Orte wurden trotz des Schlechtwetters relativ genau untersucht. Von den Jugendlichen als für sie benutzbar wurden hauptsächlich Bänke / Sitzgelegenheiten, „Tratschplätzchen“, Basketballkörbe, Fußballplätze, Überdachungen, Geschäfte und auch Telefonzellen eingestuft. Sehr häufig wurde aber auch geschrieben „nichts“ („nichts, weil es keine Möglichkeiten gibt, mit denen man sich auseinandersetzen kann“). Von den Jugendlichen wurde fast keine Unterscheidung zwischen den Nutzungsmöglichkeiten für Burschen und Mädchen getroffen.
> Die subjektiven Eindrücke der Orte waren unterschiedlich, z. B. sowohl „verlassen, grau, Mistkübel“ als auch „friedlicher Ort, kinderfreundlich, ruhig, ordentlich“ zum Rabenhof.
> Auffallend war, dass zwei der sieben untersuchten Orte (Arenbergpark und Kardinal Nagl-Platz) von einigen, vor allem von den Burschen, als gemiedene Orte genannt wurden, weil sie von „türkischen“ Gruppen von Jugendlichen besetzte sind. In Gesprächen mit der Lehrerin wurde auch von direkten Konfrontationen erzählt.

Insgesamt bieten in den Einschätzungen der Jugendlichen die Plätze, Parks und Höfe in der Schulumgebung nur wenig positive Möglichkeiten und stellen vor allem keine Orte dar, mit denen sie sich identifizieren können oder möchten.

ÖFFENTLICHER RAUM – 2. TEIL: Mariahilferstraße
Gearbeitet wurde auf der Mariahilferstraße vor allem mit Fotos. Den Jugendlichen wurden mögliche Blickpunkte angeboten: z. B.: Blick nach oben, Blick nach unten, befragt und fotografiert Arbeiter auf der Mariahilferstraße (Maroniverkäufer, Bettler, Schaufensterputzer, Polizist ...), Schaufenstergestaltungen, Motive für einen Werbefilm.

Ergebnisse:
> Da die Mariahilferstraße ein „Identifikationsort“ ist auf dem ein Großteil der SchülerInnen sich gerne aufhalten, wurde dort mit Feuereifer gearbeitet und viel Fotomaterial gesammelt. Dieses wurde dann in den darauffolgenden Wochen in Collagen und Fototafeln zu verschiedenen Aspekten der Mariahilferstraße (z. B.: „Menschen kennen lernen“, „Einkaufen“, „Werbung“) verarbeitet.

INTERNET – 1. TEIL
Für einen Großteil der Jugendlichen war es ihr erster aktiver Kontakt mit dem Internet. Besucht wurden Chatrooms und Jugendseiten und danach ein Fragebogen ausgefüllt.

INTERNET – TEIL
In diesem Teil wurde von den Jugendlichen das Basismaterial (Logos, Symbole ...) für eine eigene Homepage zum Projekt angefertigt.

Ergebnisse:
> Interessant erschien den Jugendlichen das Medium Internet vor allem als Kommunikationsmittel („chatten, Leute kennenlernen, flirten“ „weil man mit Burschen flirten kann und mit anderen Mädchen reden kann, ohne dass man weiß, wie sie ausschauen“) und auch als Informationsquelle für Musik, Sport, Jugendthemen. Teilweise auch als Lernhilfe. Andererseits wirkt das Internet in der Wiedergabe ihrer sinnlichen Eindrücke „kompliziert und bunt, freundlich“, „interessant, unüberschaulich, grell“ und „Sehr cool! Viel zu kompliziert. Fehlerhaft.“, aber auch „informationsreich“ und „normal“.

NACHBEARBEITUNG UND PRÄSENTATION
In den Wochen nach den Projekttagen, bis Mitte Februar, wurden Zeichnungen und Skizzen zu einem aus Sicht der Jugendlichen „idealen Park“ gemacht, auch mit Angaben, wer ihn benutzen darf. Zu vorher besprochenen Aspekten der Mariahilferstraße (Werbung, Einkaufen, Leute kennenlernen ...) wurden aus dem Fotomaterial und aus Zeitungsausschnitten großformatige Collagen, Fotoserien, Zeichnungen, Tonmodelle und Tonfiguren angefertigt.
Für die Präsentation in der Schule am 15. 2. 99 im HIB Boerhaavegasse haben zwei Schüler Aufnahmen von der Geräuschkulisse der Mariahilferstraße gemacht. Eine weitere Präsentation fand am 4. 3. 99 im Rahmen der Magazinpräsentation MA-null/2 im der Babenbergerpassage statt.

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