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2014

Nachbarschaft im gebauten und gelebten Alltag

Vortrag im Rahmen der Startveranstaltung des KTI-Forschungsprojekts "Nachbarschaften in Genossenschaften" des Instituts für Soziokulturelle Entwicklung an der HS Luzern / Soziale Arbeit (Barbara Emmenegger, Proj.ltg / Ilja Fanghänel / Bettina Nägeli)

Einigen Überlegungen zum Thema "Nachbarschaft":

• Nachbarschaft ist etwas Selbstverständliches - es gibt wenige Menschen, die keine Nachbarn haben -, andrerseits gibt es in unserer Gesellschaft keine spezielle Nachbarschaftskultur, wie z. B. im Orient, wo dem Nachbar und der Nachbarin ein hoher Stellenwert zukommt.

• Die Nachbarschaft weitet den Wohnradius aus:
Elsa, eine 11-jährige, die mit ihrer Familie gerade umgesiedelt ist, antwortet mir auf meine Frage, wo für sie "zuhause" beginnt, dass es in ihrer alten Wohnung schon beim Eingangstor begonnen hat, jetzt erst bei der eigenen Wohnungstür, weil sie die Leute im Haus noch nicht so gut kennt.

• Nachbarn sind - allgemein gesehen - räumlich näher als Freunde und bei einem Problem schneller verfügbar; gleichzeitig gibt es eine neutralere und unkompliziertere Ausgangsposition als mit Freunden: Man ist nicht zu einem aufwändigen sozialen Austausch verpflichtet.
Eine Bewohnerin meines Hauses erzählt mir, dass sie sich, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt, noch gern unterhalten möchte. Freunde einladen, da müsste sie etwas kochen oder zumindest etwas vorbereiten und dazu ist sie nach der Arbeit zu müde. Deshalb sind ihr die Gespräche mit ihrer Nachbarin auf dem Laubengang vor ihrer Türe so kostbar.

• Wenn ich Nachbarschaft mit einem Freundeskreis vergleiche, dann sind Freunde natürlich etwas anderes, aber auch bei der Nachbarschaft stellt sich die Frage, ob man sie nur mit "Gleichgesinnten", d. h. Menschen mit ähnlichen Interessen, ähnlichen Meinungen und aus einer ähnlichen sozialen Schicht führen kann. (Zu dieser Frage komme ich ein wenig später noch einmal.)

• Eine anderes Thema, das mir in den Sinn kommt, ist: Braucht Nachbarschaft die Verfügbarkeit von Zeit? Pointiert formuliert: Haben nur SeniorInnen und Mütter mit Kleinkindern Zeit, sich in der Nachbarschaft zu engagieren?

• Dann habe ich mich auch noch gefragt, wieso es eine Entwicklung gibt, Nachbarschaft verstärkt in den Fokus zu rücken. In einer Auflistung zur Förderung von Nachbarschaft in einem österreichischen Bundesland lese ich den Untertitel: "Wir halten zusammen". Ist das eine Feststellung oder eine Aufforderung an die BürgerInnen?
Gibt es ein verstärktes Bedürfnis nach Nachbarschaft oder müssen die BewohnerInnen erst darin geschult und dazu ermuntert werden?
Ist Nachbarschaft etwas, das im Verschwinden begriffen ist, oder im Gegenteil: im Entstehen? Vielleicht in einer anderen, neuen Form?

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Die Beispiele die ich mitgebracht habe, sind seit 2000 in Wien entstanden, alle im Rahmen des geförderten Wohnbaus im Zuge von Bauträgerwettbewerben. Alle mit der Zielsetzung, Nachbarschaft und gemeinschaftliches Wohnen zu fördern.

Das erste Beispiel thematisiert das Zusammenleben verschiedener Kulturen.

Das zweite Beispiel versteht sich in der Tradition der Siedlerbewegung der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts.

Das dritte Beispiel hat sich dem Motto "Gemeinsam Wohnen" verschrieben.

Das letzte Beispiel, das "Digitale Schwarze Brett" ist ein elektronisches Werkzeug, das von seinen Betreibern gemeinsam mit einem mehrjährigen, moderierten Nachbarschafts-
entwicklungsprozess in sozialen Wohnbauten angeboten wird.


* aus H. Hertzberger,Vom Bauen, S. 46 / © C.A. / zur Verfügung gestellt von realitylab/Gernot Tscherteu

** Inter-ethnische Nachbarschaft, © C.A. / Wohnsiedlung Heustadelgasse, zur Verfügung gestellt von bauplan ).( / Oase 22, © C. A.

Mein DANK für Auskünfte und die zur Verfügungstellung von (Foto)Material geht an
Herrn Akrami, Architekturbüro Scheifinger, SOZIALBAU AG (Inter-ethnische Nachbarschaft),
Architekten Pichler & Traupmann, bauchplan ).( Landschaftsarchitektur u. -urbanismus, Elisabeth Judmaier, BUWOG Bauen und Wohnen GesmbH (Wohnsiedlung Heustadelgasse),
Magdalena Hubauer und Lukas Botzenhart / Quartiersmanagement,GESIBA
(Oase 22)
und
Gernot Tscherteu / realitylab

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